KI Methoden in der Schadensprüfung und Überwachung

Autonome und robuste Datenanalyse mit Maschinellen Lernen und KI in der  Schadensprüfung und Überwachung

Priv.-Doz. Dr. Stefan Bosse
Universität Bremen, FB Mathematik & Informatik
19.2.2018

Inhalt

Einführung

Schadensprüfung und Überwachung

Untersuchung des Material- und Strukturverhaltens von Proben und Bauteilen unter verschiedenen Belastungs- und Einsatzsituationen

Ziele

  • Erlangung von Materialparametern durch Experimente
  • Entwicklung neuer Materialien Material Informatik!
  • Erkenntnisse über und Verständnis von Schadensmechanismen (Ursachen und Ausbreitung)
  • Bauteilüberwachung zur Betriebszeit (SHM)
  • Optimierung von Bauteilen, Verbundmaterialien, und Einsatzsituationen
  • Vorhersage Lebensdauerzyklus zur Betriebszeit
  • Optimierte und dynamisierte Wartung

Einsatz von KI

Es fallen große Datenmengen bei der Materialprüfung und Bauteilüberwachung an! Messdaten sind unsicher und verrauscht!

  • Einsatz von KI Methoden um eine grundlegende Abbildungsfunktion der experimentellen Wissenschaften abzuleiten und zu implementieren:

    F(Sensor Daten): Sensor Daten Wissen!

  • Häufig existieren keine oder nur unvollständige numerische Material- und Bauteilmodelle

  • Inverse Numerik kann eingesetzt werden um von Sensordaten auf Material- und Bauteileigenschaften zurück zuschließen Meist zu komplex und rechenintensiv; Modelle müssen bekannt sein!

Maschinelles Lernen

  • Häufig fehlen funktionale Zusammenhänge zwischen zwei Variablen x und y, z.B., Dehnung einer Probe (Reactio) und wirkender äußerer Kraft (Actio, Stimulus):

    f(x):x y.

  • Neben der Bestimmung von funktionalen Zusammenhängen (Materialprüfung, Lastüberwachung) ist die Zustandsvorhersage zur Betriebszeit (Strukturüberwachung) wichtige Fragestellung.

Materialprüfung

Strukturüberwachung

Maschinelles Lernen

  • Grundlegend wird beim Maschinellen Lernen auf Beobachtungen zurückgegriffen: Die Trainingsdaten
  • Man unterscheidet zwei Arten des Maschinellen Lernens (ML):
Überwachtes Lernen

Die Trainingsdaten bestehen aus Eingabedaten (x, Sensorvariablen, Strukturparameter, ..) mit den dazugehörigen Ausgabedaten (y, sog. Labels, z.B. Materialparameter). Die Ausgabedaten werden i.A. von Experten (Menschen) zugeordnet, können aber auch durch eine automatische Bewertung rückgekoppelt werden (Verstärkungslernen).

Unüberwachtes Lernen

Beim sog. Clustering werden Muster in den Eingabedaten automatisch erkannt, d.h. die Trainingsdaten bestehen nur aus den Eingabedaten x.

Maschinelles Lernen

figmlClasses


Abb. 1. Unterschied Überwachtes und nicht überwachtes Lernen

Maschinelles Lernen

Mögliche Modelle für das vorherige Beispiel des Überwachten Lernens könnten sein:

figmlClasses1


classify1(x1,x2): (x1,x2)  y = 
  if (x2 < 50) then A
  else B 

classify2(x1,x2): (x1,x2)  y = 
  if (x1 < 50 and x2 < 50) then A
  else B 

  • Beim ML wird eine Approximation (Hypothese h) der unbekannten Klassifikations- und Vorhersagefunktion f(x) berechnet: y = h(x) = f(x)+Err.
  • Es gibt eine Menge von Hypothesefunktionen H für ein Problem.
    • Beispiel classify1 liefert für unteren roten Punkt falsches Ergebnis!

Maschinelles Lernen

Rauschen

  • Rauschen und Messunsicherheit können bis zur Unbrauchbarkeit das abgeleitete Modell beeinflussen!!!
  • Das betrifft beiden Phasen:
    • Lernvorgang (Training)
    • Klassifikationsvorgang (Anwendung des gelernten Modells)
  • Auch fehlerhafte Zuweisung von Labels (Klassen) ist Rauschen!
  • Einfluss von Rauschen abhängig vom verwendeten Algorithmus

fignoise

Maschinelles Lernen: Material und Struktur

Einsatz von ML in den Materialwissenschaften

Überwachtes Lernen Unüberwachtes Lernen
   
Anwendungen: Vorhersage Struktur Materialeigenschaften; Vorhersage von Schäden und Bauteilveränderungen; Kristallstrukturen klassifizieren Anwendungen: Modellierung der Klassifikation von Schäden; Identifikation von Deskriptoren; Rauschunterdrückung in Messdaten
   
Methoden: Entscheidungsbäume; Support Vector Machines; Neuronale Netze; k Nearest Neighbour; Regularisierte Kleinste Quadrate Methoden: Selbst-organisierende Karten (Neuronale Netze); k‐Means Clustering; Markov Random Fields; Hierarchical Cluster Analysis; Principal Component Analysis; Cross‐correlation

Maschinelles Lernen: SHM und Hybride/Composites

  • Composite Strukturen und Hybride Materialien besitzen komplexe

    • Schädigungsmodelle,
    • Wellenausbeitungsmodelle, und
    • Meachanische Verhaltensmodelle.
  • Vorhersage von Schäden und Bauteilveränderungen ist schwierig

  • Z.B. Ausbreitung von Wellen als Messverfahren in Hybriden nicht vollständig bekannt!

Virtuelles Trainieren

  • Verwendung von FEM und numerischen Methoden um Trainingsdaten für ML und Genetische Algorithmen zu erzeugen.

  • Synthetisch generierte Messdaten können mit realen Messdaten kombiniert werden!

figsynthML


Abb. 2. Synthetisches Trainieren mit FEM

Algorithmen und Modelle

Modell: Entscheidungsbaum

figdt

  • Ein Entscheidungsbaum besteht aus Knoten die mit einer bestimmten Eingangsvariable xi verknüpft sind und diese evaluieren [3].
  • Es gibt eine oder mehrere Kanten zu Nachfolgeknoten in Abhängigkeit vom Variablenwert (Relational oder Intervall).
  • Blätter sind mit den Klassifikationsergebnis verknüpft.
  • Sowohl Graphen-, Tabellen, als auch Programmnotation als Repräsentation des gelernten Modells verfügbar kompaktes Modell!

Modell: Neuronales Netzwerk

figANNmultiLayer

  • Ein Künstliches Neuronales Netz (ANN) ist ein Netzwerk aus Neuronen (Perceptrons)[1].
  • Jedes Neuron ni hat ein oder mehrere Eingänge xi und einen Ausgang yi.
  • Es gibt eine Aktivierungsfunktion: fi(xi): xi yi, y [0,1]
  • Das Trainieren des Netzwerkes ist iterativ (probalistisch) und erfolgt durch 1. Verteilung von Gewichten der Kanten; 2. Konfiguration, bis die gesamte Klassifikation mit minimalen Fehler möglich ist.

Modell: Neuronales Netzwerk

Beispiel: Einsatz eines ANN in der Schadensdetektion von Compositen [1]

Beispiele von Messsignalen einer Composite Probe

figcompoSHM

ANN: Eingangsvariablen sind ausgewählte Signalcharakteristka; Ausgangsvariablen sind Ort und Stärke einer Schädigung

figcompoSHMANN

Agentenbasierte Verfahren

Agenten besitzen eine Vielzahl von Fähigkeiten, die sie von klassischen Programmen unterscheiden - obwohl Agenten auch Programme sind! Agent Lernen

Merkmale

  • Fähigkeit zu eigenständiger Aktivität (Nicht Nutzeraktiviert)
  • Autonomes Verhalten ereignisbasiert (Keine zentrale Intsanz)
  • Selbstständiges Schlussfolgern (Umgang mit unsicheren Wissen)
  • Flexibles Verhalten (Adaptivität an veränderliche Weltbedingungen)
  • Fähigkeit zu Kommunikation und Interaktion, Fähigkeit zur ziel- und aufgabenorientierten Koordination (Synchronisation)
  • Kooperatives oder konkurrierendes Verhalten (Lösung von Wettbewerbskonflikten)
  • Divide&Conquer: Dekomposition von komplexen Systemen

Anwendungsbeispiele

Modellierung von Composites mit ANN

  • Ein Materialmodell welches auf einem Neuronalen Netzwerk basiert;
  • Das Modell wird für den funktionalen Zusammenhang Spannung Dehnung verwendet.

figANNCompoModel

Pidaparti, 1992: Neuronales Netzwerk für monotone und zyklische Spannungs-Dehnungs Belastungen;

figANNCompoModelBeh

Verhaltensmodell des ANN [2]

Automatische Signalanalyse mit Agenten

  • Region-of-Interest Erkennung von Ultraschallmesssignalen an Hybrid Proben mittels selbstorganisierenden Multiagentensystem (SoMAS) [4]

  • Probleme bei Messsignalen und Auswertung: Rauschen; Baseline; Dynamik; Nur ein kleines Zeitfenster beinhaltet relevante Struktur- und Schadensinformation; Reflexionen und Echos

figusMeasSig

Automatische Signalanalyse mit Agenten

  • Das Messsignal (50000 Punkte) wird auf 100 Segmente reduziert.
  • Jedes Segment wird von einem Segmentagenten bearbeitet (Divide&Conquer)
  • Explorationsagenten erkunden Nachbarschaft eines Segments nach Ähnlichkeit.
  • Markierung von interessanten Segmenten ROI Extraktion [5]

figsosmas

Automatische Signalanalyse mit Agenten

Kombination MAS mit ML

  • Die Arbeitsweise des SoMAS wird durch einen Parametersatz P bestimmt.

  • Signale mit deutlich unterschiedlichen Eigenschaften (Amplitude/Dynamik, Rauschen, Offset, Signalform) benötigen unterschiedliche Parameter.

  • Ableitung eines geeigneten Parametersatzes P mit ML (ANN) aus Signaleigenschaften sf [4]:

    h(sf):sf P, sf={sc,hi,fi},
    sc={smin,smax,smean,sdev},
    hi:Histogram4, fi:FFT4.

figroiAiFlow

Automatische Signalanalyse mit Agenten

Mehr als 90% der ROIs von sehr unterschiedlichen Messsignalen können automatisch erkannt und direkt für die numerische Weiterverarbeitung zur Schadensdiagnostik verwendet werden.

figroiDamage

figroiEx

Ereignisbasierte Sensorverarbeitung mit Agenten

  • Automatische und ereignisbasierte Erkennung von stimulierten Sensorbereichen in einem Sensornetzwerk mit SoMAS
  • Gleiches Divde&Conquer Verfahren wie in der segmentierten ROI Erkennung mit Explorationsagenten (gelb).
  • Sensorwerte aus stimulierten Bereichen (ROIs) werden durch Verteilungsagenten (grün) an Verarbeitungsagenten zugestellt.

Lasterkennung mit Verteilten Lernen

  • Beim SHM kommen i.A. große Sensornetzwerke zum Einsatz.
  • Zentrale Signalverarbeitung nicht skalierbar und effizient;
  • Daher Verteilung von Signalverarbeitung und Lernverfahren!

Ansatz: Viele verteilte Lerninstanzen die auf lokalen Daten arbeiten.

  • Ereignisbasierte Signalverarbeitung und Lernen mit Agenten [6];
  • Klassifikation liefert Vielzahl von Vorhersagen Mehrheitsabstimmung als Schlussfolgerungsinstanz!

figdlmas

Lasterkennung mit Verteilten Lernen

  • Automatische Erkennung verschiedener Lastsituationen aus wenigen stimulierten Dehnungssensoren [6]:

Lastsituationen

figdlLoad

Beispiele für Wahlen

Votes1 Election
n10,10:La, n12,12:Lb, n13,11:La, n15,12:La, La:3/4
n44,32:Lb, n47,33:Lc, n50,32:Lb, n45,28:Lc, n43,32:Lb, Lb:3/5

Strukturüberwachung von Verbundwerkstoffen

Ziel

Automatische Strukturüberwachung und Schadensdiagnostik ohne Struktur- und Materialmodelle

figautoSHM


Abb. 3. Beispiel: 2D Luftultraschallscanning von beliebigen Proben [Schmidt, 2017]

Strukturüberwachung von Verbundwerkstoffen

  • Automatische Verarbeitung und Reduktion großer Datenmengen

    • Merkmalsselektion:
      Vorverarbeitung der Messdaten (Reduktion der Eingangsvariablen)

    • Merkmalsextraktion:
      Schadensdiagnostik (Abbildung Eingangs- auf Ausgangsvariablen)
      Schadensklassifikation, Schdenslokalisation, Strukturveränderung, usw.

  • Rückkopplung: Ergebnisse der Merkmalsselektion und Extraktion werden für Adaption des Messverfahrens verwendet.

Zusammenfassung

  • Mit zunhemender Komplexität von Material- und Strukturmodellen wird Schadensdiagnostik, Strukturüberwachung, und Materialentwicklung schwieriger.

  • Einsatz Hybrider Verfahren (z.B. MAS+ML)

  • Es müssen große Datenmengen verarbeitet werden. Aber: Nur ein kleiner Teil der Eingangsdaten (Eingangsvariablen) ist relevant.

  • Daher Dateneduktion Merkmalsselektion

  • KI Methoden können helfen relevante Informationen aus der großen wenig korrlierten Datenmenge zu extrahiern Merkmalsextraktion

    • Maschinelles Lernen und Data Mining

    • Ungang mit unsicheren Wissen und Daten (Schliessen und Planen)

    • Agentenbasierte Verfahren

    • Verteilte und parallele Verfahren

Referenzen

Publikationen

  1. R. Jha and S. V. Barai, Neural Networks and Genetic Algorithms in Structural Health Monitoring, in Structural Health Monitoring Technologies and Next-Generation Smart Composite Structures, J. A. Epaarachchi and G. C. Kahandawa, Eds. 2016.
  2. R. M. V. Pidaparti and M. J. Palakal, Material Model for Composites Using Neural Networks, AIAA JOURNAL, vol. 31, no. 8, 1992.
  3. I. Guyon, S. Gunn, M. Nikravesh, and L. A. Zadeh, Feature Extraction: Foundations and Applications (Studies in Fuzziness and Soft Computing). Springer, 2006.
  4. S. Bosse, M. Koerdt, A. v. Hehl, Robust and Adaptive Non Destructive Testing of Hybrids with Guided Waves and Learning Agents, Hybrid 2018, Bremen
  5. S. Bosse, D. Schmidt, M. Koerdt, Robust and Adaptive Signal Segmentation for Structural Monitoring using Autonomous Agents, ECSA 2017 (MDPI) , doi: 10.3390ecsa-4-04917
  6. S. Bosse, A. Lechleiter, A hybrid approach for Structural Monitoring with self-organizing multi-agent systems and inverse numerical methods in material-embedded sensor networks, Mechatronics, (2016), DOI:10.1016 / j.mechatronics.2015.08.005.

Referenzen

Videos

  1. Bending Test (Welding Inspector), www.youtube.com/watch?v=7tr4kVtNsrM
  2. Structural health monitoring of wind turbine blade – Brüel & Kjær, www.youtube.com/watch?v=4Lo9-W3sVmE
  3. Neural Network 3D Simulation, www.youtube.com/watch?v=3JQ3hYko51Y
  4. S. Bosse, From the Internet-of-Things to Sensor Clouds - Unified Distributed Computing in Heterogeneous Environments with Smart and Mobile Multi-Agent Systems, Smart Systems Integration Conference, 11-12 March 2015, Copenhagen, 2015

1.Knoten n bei Position (i,j)